Lebensalter / Les âges de la vie

Lebensalter / Les âges de la vie

Veranstalter
traverse - Zeitschrift für Geschichte / Revue d'histoire
Veranstaltungsort
Ort
Zürich
Land
Switzerland
Vom - Bis
28.02.2016 -
Deadline
28.02.2016
Von
Anja Rathmann-Lutz

CfP «Lebensalter»
traverse. Zeitschrift für Geschichte. Revue d’histoire
Heft 24, Nr. 2 (2017)
Herausgeber/innen: Dominique Dirlewanger (Lausanne), Sonja Matter (Wien), Anja Rathmann-Lutz (Basel), Matthias Ruoss (Bern)

version française: http://www.revue-traverse.ch/index.php?id=2&lang=frg=fr

Die Entwicklungspsychologie hat sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert als eigener Wissenschaftszweig herausgebildet, der sich mit den Entwicklungsprozessen des menschlichen Lebens beschäftigt. Doch nicht nur für die Moderne findet sich eine intensive Beschäftigung mit den unterschiedlichen menschlichen Entwicklungsstufen: Bilder des menschlichen Lebensalters – die sogenannten Lebenstreppen – waren etwa in Kunst und Literatur der Frühen Neuzeit ein viel gewähltes Motiv. Die Beschreibung der Lebensalter hatte dabei stets eine normative Funktion und normierende Wirkung: An den Konzeptionen zum Lebensalter liessen sich individuelle Lebensläufe messen und ausrichten. An dieser Stelle möchte das geplante Heft ansetzen und nach der «Herstellung» von Lebensaltern im Zusammenspiel von Diskursen, institutionellen Settings und sozialen Praktiken fragen. Denn die Bedeutung von Lebensalter war (und ist) in höchstem Masse kontingent: Wie die verschiedenen Lebensalter voneinander abzugrenzen seien, war diskursiven Aushandlungsprozessen unterworfen, ebenso wie die Frage, welches Lebensalter als das «glücklichste» oder «produktivste» zu gelten habe. Ähnlich sprachen so unterschiedliche Institutionen wie die Kirchen, Schulen oder Fürsorgeeinrichtungen bestimmte Altersgruppen nicht nur auf spezifische Weise an, sondern formten mit ihren Programmen und Leistungen die Konzeption von Lebensaltern selbst. Schliesslich waren die Praktiken, die als alterskonform und -gerecht wahrgenommen wurden, starken Wandlungsprozessen unterworfen, sodass Vorstellungen von Lebensaltern immer wieder neu angepasst werden mussten.
Menschliches Wachsen, Erwachsenwerden und Altern wurde in der Geschichtswissenschaft unter höchst unterschiedlichen Gesichtspunkten und unter Beiziehung verschiedenartiger Quellen betrachtet. Gemeinsamer Nenner sowohl der historischen Lebenslaufforschung als auch der Sozial-, Alltags-, Wissens- und Kulturgeschichte ist jedoch die Körperlichkeit, die auf die eine oder andere Weise eine Rolle in der Konzeptionalisierung von Lebensaltern spielt. Das Schwerpunktheft möchte ein Forum bieten, um Lebensalter aus den oben genannten drei theoretischen und methodischen Perspektiven zu historisieren und damit rein normative Diskurse zum Wachsen und Altern kritisch zu hinterfragen: Wie wurden Entwicklungsprozesse, denen Menschen im Laufe ihres Lebens unterworfen sind, in unterschiedlichen kulturellen und historischen Kontexten gefasst und konzeptualisiert, auf welche Weise bildeten sich «altersgemässe» gesellschaftliche Strukturen und wie handelten Menschen im Rahmen dieser Diskurse und Institutionen?
Von Interesse sind dabei Forschungsarbeiten, die sich mit dem Spannungsverhältnis auseinandersetzen, das der Beschäftigung mit Lebensalter quasi inhärent ist: Zwar sind Vorstellungen von Lebensalter kontingent und historisch wandelbar, gleichzeitig sind sie aber nicht unabhängig von einem materiellen Körper denkbar, der eine eigene Geschichte hat – eine Geschichte, die zwar ebenfalls nicht universell, aber gleichwohl nicht beliebig bestimmbar ist. Ausdrücklich erwünscht sind Beiträge, die nach der Bedeutung von «Alter» als historischer Kategorie der Analyse fragen und reflektieren wie sich diese zu anderen sozialen Kategorien wie «Geschlecht», «Klasse» oder «Ethnizität» verhält. Virulent erscheint die Frage, wer als Modell einer normalen Abfolge von Lebensalter zu stehen habe: Der weisse Mann war nicht nur in der ikonographischen Darstellung zum menschlichen Wachsen und Altern überrepräsentiert sondern wurde auch in den modernen Wissenschaften vielfach als „Normaltypus“ angesehen, an dem Entwicklungsprozesse abzulesen seien.

Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt:
- Welche Diskurse von Lebensalter dominierten in unterschiedlichen kulturellen und historischen Kontexten und welchen historischen Wandlungsprozessen waren sie unterworfen?
- Welche «Zeitzeichen», also ikonographischen, metaphorischen und wissenschaftlichen Konzepte von Lebensalter und Verlaufsformen von Wachsen, Erwachsenwerden und Altern dominierten?
- Welche Normierungs- und Disziplinierungseffekte gingen von Vorstellungen spezifischer Lebensalter und Entwicklungsparadigmas aus?
- Welche Zuordnungen bestanden zwischen einem bestimmten Lebensalter und spezifischen sozialen Räumen?
- Wie und in welchen sozialen Bereichen und Institutionen (Familie, Ausbildung/Beruf, Sozialstaat) wurden Vorstellungen von Lebensalter praktisch wirksam?
- Welche Rolle spielte das Alter und Altern in (Selbst)Reflexionsprozessen in Umbruchssituationen? Welches subjektive Zeitempfinden ging damit einher?
- Welches Verhältnis lässt sich zwischen institutionalisierten Altersstufen (und den dazugehörigen Institutionen) – wie bspw. das Renteneintrittsalter – und der Praxis des Alterns ausmachen?
und last but not least:
- Wie beeinflussen moderne Vorstellungen vom Alter und altersgemässem Verhalten die historische Forschung?

Die Beiträge werden als Heft Nr. 24/2 (2017) der traverse – Zeitschrift für Geschichte erscheinen. Sie haben einen max. Umfang von ca. 30’000 Zeichen und sollen bis zum 1.10.2016 an die Redaktion gelangen, damit ausreichend Zeit für das Lektorat bleibt.
Wir heissen Vorschläge aus allen Epochen und Teildisziplinen willkommen, insbesondere solche, die auch methodische Fragen mitreflektieren. Bitte senden Sie ein Abstract mit max. 2500 Zeichen und einem kurzen CV (inkl. Postadresse) bis zum 28.2.2016 an sonja.matter@revue-traverse.ch, anja.rathmann@revue-traverse.ch, dominique.dirlewanger@unil.ch oder matthias.ruoss@hist.unibe.ch.

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Anja Rathmann-Lutz

Redaktion traverse

anja.rathmann@revue-traverse.ch

www.revue-traverse.ch